Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko könnte langfristig weitreichende Folgen für die weltweite Ölversorgung haben. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) warnt vor deutlich höheren Kosten. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung fordert Agentur-Chef Nobuo Tanaka eine Abkehr von fossilen Brennstoffen.
Die Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ ist bereits zweieinhalb Monate her. Doch noch immer fließen jeden Tag etwa neun Millionen Liter Öl ins Meer – das bleibt nicht ohne weltwirtschaftliche Folgen. Der Chef der Internationalen Energieagentur schlägt Alarm: Die Ölförderung könnte sich verteuern, weil die Energiekonzerne neue Anlagen benötigte und sich höher versichern müssten. Zudem könnte die Erkundung neuer Ölfelder sich verzögern. In jedem Falle würden die Kosten und das Risiko der Unternehmen ansteigen und damit auch die Kosten der Versicherung, erklärte Tanaka.
Einige Experten sehen sogar das Ende einer Ära des Billig-Öls in Sicht, so zum Beispiel der IEA-Chefvolkswirt, Fatih Birol. Die Internationale Agentur unterm Dach der OECD beobachtet seit längerer Zeit, wie die Ölkatastrophe sich auf die globale Wirtschaft auswirkt. Mittelfristig könnte ein täglicher Versorgungsengpass von einer Million Barrel Öl entstehen, wenn sich sämtliche Meer-Bohrungen verzögerten, warnte Tanaka. Die Organisation rechnet damit, dass die täglichen Reserven bis 2015 von sechs auf vier Barrel fallen.
Fachleute warnen bereits seit längerem vor künftigen globalen Engpässen, da die weltweiten Ölvorkommen abnehmen, und gleichzeitig der Verbrauch steigt. Derzeit stammt knapp ein Drittel des geförderten Rohöls aus Meeresbohrungen. „Der Anteil der Tiefseebohrungen wird in Zukunft sicherlich noch steigen“, sagt Tanaka. Doch sie sind derzeit durch die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko einen enormen internationalen Druck ausgesetzt.
„Die Ölpest hat die Risiken der Technologie offenbart“, sagte Birol. Neue Gesetze und strengere Sicherheitskontrolle seinen die Folge. Diese wiederum ließen den Preis der Ölförderung an den Künsten von Afrika und Amerika rapide ansteigen. Viele Projekte würden nicht mehr profitabel sein, da sie nach dem Unfall neu kalkuliert werden müssten, sagt Birol.
Insbesondere vor den Künsten von den Vereinigten Staaten, Brasilien und einigen Staaten in Afrika werde sich die Förderung nicht mehr lohnen.
„Durchschnittliche Barrelpreise von 30 oder 40 Dollar werden künftig der Vergangenheit angehören“, prophezeit Chefökonom Birol. Der Mittlere Osten werde an Einfluss über die weltweite Energieversorgung gewinnen, da dort leicht erschließbare Ölquellen lägen.
Die OECD-Mitglieder sollten sich deshalb stärker vom Brennstoff Öl trennen, fordert Tanaka. Die Photovoltaik müsse deutlich günstiger werden, um einen weltweiten Durchbruch zu erleben. Die Staaten müssten zudem mit ihren unverbindlichen Klimaschutz-Zusagen ernst machen und aufhören Öl und Kohle zu subventionieren. So könnten sie 2,4 Gigatonnen Kohlendioxid einsparen sowie die Hälfte des saudischen Öls. Tanaka rät der deutschen Bundesregierung, vom Atomausstieg abzulassen und sie als Bestandteil des Energiemixes neben erneuerbaren Energien zu belassen. Dagegen hält das Umweltbundesamt eine komplette Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen für Deutschland bis 2050 für möglich. |