„Nicht die Lehrstellen sind knapp, sondern die Bewerber“, sagte der Geschäftsführer vom Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DHIK), Martin Wansleben, am Donnerstag, 8. April, in Berlin. Unternehmen in Deutschland fehle der qualifizierte Nachwuchs.
Allein im vergangenen Jahr seien etwa 50000 Lehrstellen unbesetzt geblieben. Jeder fünfte Betrieb konnte nicht alle Ausbildungsplätze besetzen, so Wansleben. Damit sei der demografische Wandel voll auf den Ausbildungsmarkt durchgeschlagen.
Die DHIK hatte über 15000 Unternehmen nach der Ausbildungssituation in diesem Jahr befragt. Das Ergebnis: Jedes vierte Unternehmen bietet weniger Ausbildungsplätze an als noch 2009. Beim größten Teil der Betriebe werde sich allerdings nichts ändern. Jede siebte Firma plant sogar mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, um einen Fachkräfteengpass zu verhindern.
Und das nicht ohne Grund: 2010 sinkt voraussichtlich die Schulabgängerzahl abermals um 25 000. Dazu entschieden sich immer mehr junge Erwachsene für ein Studium. In den vergangenen drei Jahren sei die Zahl der Studienanfänger unter den Abiturienten insgesamt um 70000 gestiegen. In Leipzig habe sich die Bewerberzahl sogar in den Jahren 2004 und 2009 halbiert. „Der betrieblichen Ausbildung fehlen zunehmend die Jugendlichen“, sagte Wansleben.
Ein besonderes Problem sei außerdem die mäßige Schulbildung der Schulabgänger. Drei Viertel der Ausbildungsbetriebe beklagten die „mangelhafte Ausbildungsreife“ der Bewerber. Viele Unternehmen versuchten mit einem eigenen Bildungsangebot Defizite auszugleichen. Das Handwerk klagte besonders stark über mangelnde Auszubildende. 2009 blieben etwa 10 000 Lehrstellen im Handwerk offen. Eine vergleichbare Entwicklung sei auch in diesem Jahr zu befürchten, laut DHIK. Viele Betriebe hätten ihre Anstrengungen deutlich verstärkt, Bewerber zu finden, sagte Handwerkspräsident Otto Kentzler.
Der Bildungsbericht der Bundesregierung zeigt sich ebenfalls besorgt über die Ausbildungsreife der Schulabgänger. Er beklagt insbesondere die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss. Zudem ermittelte der Bericht, dass jeder fünfte Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst werde. Der Bericht soll voraussichtlich Ende des Monats vom Bundeskabinett verabschiedet werden.
Auch die Gewerkschaften äußerten sich besorgt über die Entwicklung. Die Metall- und Elektroindustrie werde voraussichtlich 2010 ein Zehntel weniger Ausbildungsplätze verzeichnen als im Vorjahr, schätzt die Industriegewerkschaft Metall. Zwischen jungen Bewerbern und Lehrstellen sei kein ausgeglichenes Verhältnis in Sicht, so DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf. Er forderte, benachteiligte Jugendliche besser zu fördern, anstatt Ausbildungszeiten zu verkürzen. |